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Der im vorigen Abschnitt diskutierte Zusammenhang zwischen der Erwerbstätigenzahl und dem Wirtschaftswachstum hat in modifizierter Form unter dem Begriff Okuns Gesetz einen hohen Bekanntheitsgrad erlangt:

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Diese Daumenregel wird gern verwandt, um auf Grundlage einer Wachstumsprognose die Veränderung der Arbeitslosenquote zu überschlagen. Das gelingt einem geübten Wirtschaftspolitiker wegen der einfachen linearen Spezifikation der Gleichung im Kopf, was sicherlich für den hohen Bekanntheitsgrad des Gesetzes mitverantwortlich ist. Bei einem Wirtschaftswachstum von 6 Prozent ergäbe sich nach Gleichung 1 eine Abnahme der Arbeitslosenquote um einen Prozentpunkt. Eine aktuelle Arbeitslosenquote von 10 Prozent würde bei 6 % Wirtschaftswachstum also auf jahresdurchschnittlich 9 Prozent sinken.

Die Werte der Koeffizienten in [1] sind keine gottgegebenen Konstanten, sondern unterscheiden sich von Land zu Land und verändern sich im Zeitablauf (s.u.). Die Größenordnungen treffen aber zu, wie man in Abbildung 1 erkennen kann, die Okuns Gesetz für Deutschland zeigt. Wer sich für aktuelle Ergebnisse und andere Länder interessiert, findet zahlreiche Externer LinkSchätzungen für Okuns Gesetz im Internet.

Abbildung 1

Abb. 1, Okuns Gesetz

Okuns Gesetz: Im Mittel waren in den vergangenen dreißig Jahren gut drei Prozent Wachstum erforderlich, um Arbeitslosigkeit abzubauen. Je zusätzliche drei Prozent Wachstum ließen die Arbeitslosenquote um je einen Prozentpunkt fallen.

Wir wollen uns kurz überlegen, warum es sich bei Okuns Gesetz um eine Daumenregel (empirische Gesetzmäßigkeit) handelt. Im vorigen Abschnitt haben wir gesehen, dass zwischen den Wachstumsraten der Größen BIP, Erwerbstätige, Produktivität und Arbeitszeit ein funktionaler (definitorischer) Zusammenhang besteht. Eine dieser Größen finden wir auch in Okuns Gesetz, nämlich die Wachstumsrate des BIP. Indirekt taucht in Okuns Gesetz auch die Veränderung der Zahl der Erwerbstätigen auf, denn die Zahl der Erwerbstätigen und die Arbeitslosenquote sind natürlich hoch negativ korreliert. Die Veränderung der Zahl der Erwerbstätigen würde sich exakt in der Veränderung der Zahl der Arbeitslosen spiegeln, wenn es keine Veränderungen auf der Arbeitsangebotsseite gäbe, d.h. weder demografische Veränderungen noch Änderungen in der Erwerbsneigung der Bevölkerung. Je kürzer der betrachtete Zeitraum ist, desto eher kann man davon ausgehen, dass diese beiden Faktoren einigermaßen konstant sind und ein Arbeitsloser weniger einen Erwerbstätigen mehr bedeutet.

Jetzt sei angenommen, die Arbeitszeit sinke Jahr für Jahr um 1 % und die Produktivität steige Jahr für Jahr um 3 %. Für die Interner Linkexakte Beziehung aus dem vorigen Abschnitt gilt dann

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Diese Regel ist Okuns Gesetz sehr ähnlich, denn wir erkennen im Zahlenbeispiel, dass das BIP um wenigstens 2 Prozent steigen müsste, damit die Erwerbstätigkeit zunähme bzw. bei konstantem Arbeitsangebot die Arbeitslosigkeit abnähme. Dieser Wert bezeichnet die sog. Beschäftigungsschwelle, die man in Abbildung 1 als Schnittpunkt B mit der Abszisse ausmachen kann. Die Beschäftigungsschwelle wird also im wesentlichen durch das Produktivitätswachstum bestimmt. Aus Okuns Gesetz [1] lässt sie sich berechnen, indem man das absolute Glied durch den (negativen) Steigungskoeffizienten dividiert.

Abbildung 2 fasst im Schaubild die Größen zusammen, die den direkten Zusammenhang von Arbeitslosenquote und Wirtschaftswachstum stören. Tatsächlich haben Veränderungen dieser Größen und der institutionellen Rahmenbedingungen über längere Zeiträume einen deutlichen Einfluss auf die Parameter in Okuns Gesetz. Für Deutschland verlagert sich die Beschäftigungsschwelle in Abbildung 1 im Zeitablauf nach links, zugleich wird der Anstieg steiler. Das bedeutet, dass weniger Wachstum notwendig ist, um Arbeitslosigkeit abzubauen (derzeit liegt die Beschäftigungsschwelle in Deutschland knapp unter 2 Prozent). Verantwortlich dafür ist vor allem das langfristig abnehmende Produktivitätswachstum und verbunden damit die Ausweitung des Dienstleistungssektors, der vergleichsweise arbeitsintensiv ist. Die Steigung der Geraden gibt Auskunft, wie sensitiv die Arbeitslosenquote auf das Wirtschaftswachstum reagiert. Wenn man sich im Extremfall vorstellt, die Gerade verliefe waagerecht, würden Unternehmen die Beschäftigung (gemessen in Köpfen, nicht in Arbeitszeit oder Effizienzeinheiten) überhaupt nicht an die Produktion anpassen (streng genommen gilt dies nur, wenn das Arbeitsangebot konstant ist). Je steiler die Gerade verläuft, desto sensitiver reagiert der Arbeitsmarkt auf Änderungen der Produktion. Daraus lässt sich die Hypothese ableiten, dass der Steigungskoeffizient für Länder mit weniger regulierten Arbeitsmärkten absolut höher ausfällt. So überrascht es nicht, dass der Sachverständigenrat auf Okuns Gesetz verweist, wenn er für mehr Flexibilität am deutschen Arbeitsmarkt plädiert (Externer LinkJahresgutachten 2002-03, Ziffer 458).

                         

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